An Tagen wie diesen

Mit Schwung fällt die Haustüre ins Schloß. Ein kühler Wind pfeift durch die Gassen. Der buntgestreifte Kaffeepot, gefüllt mit wohl immer noch genüsslich vor sich hin dampfendem Genussmittel aus Übersee steht auf dem, mittlerweile schon etwas Antik wirkenden Zedernholztisch. Schauplatz frühmorgendlicher Arbeitsstunden noch vor Sonnenaufgang und unzähliger Abendessen nach Sonnenuntergang. Heute gab es keinen Sonnenaufgang, jedenfalls nicht für mich. Es sollte alles nicht sein, nicht heute. Eigentlich hatte ich doch wirklich gut geschlafen, dachte ich jedenfalls. Trotzdem fühlt sich der Körper an, als hätte er gerade eben seinen ersten Marathonlauf absolviert, nachdem er unmittelbar zuvor die Alpen per Rad überquert hatte. Nichts davon ist allerdings passiert.

Auf dem Absatz umdrehen, Türe öffnen und sich in aktueller Kleidung einfach wieder für ein paar Stunden ins warme und kuschelige Bett sinken lassen, Um kaum etwas Anderes kreisten sich momentan die Gedanken. Der Tagesplan allerdings hatte etwas Anderes vorgesehen. Schwerfällig müht sich der Körper durch den Straßenverkehr und obwohl nicht allzu viele Mitmenschen zu dieser Uhrzeit unterwegs sind, wirkt es heute doch alles irgendwie hektischer, lauter. 

Durch die letzten Überreste des nächtlichen Regens, blendet das Weiß eines Technisch fast perfekt auf den Asphalt gebrachten Fußgängerüberwegs. 

Für gewöhnlich erfährt diese weiße Bestreifung öffentlicher Verkehrswege  einen Respekt, welcher in vielen Ländern ausschließlich dem großen grün, gelb, rot beleuchteten Ampelbruder gezollt wird.

Nicht heute. Ein Fahrzeug nach dem Anderen rauscht vorüber. Kleine und Große, schwächere und sehr starke Fahrzeuge, Busse und Lastwagen. Alle haben sie eines gemein: Bei den Führern jener Kraftfahrzeuge scheint deren Hirn selbst der Anblick eines kleinen Kindes an der Hand die Befehle an den rechten Fuß zum Hinunterpressen des Gaspedals und zum Nacken  zwecks wegdrehen des Kopfes zu geben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist die andere Straßenseite relativ sicher erreicht. Die Stimmung nicht gerade aufgehellt, vielleicht auch durch den Gedanken an die noch bevorstehenden Straßenüberquerungen denn auch dort sollte sich gleiches Schauspiel wiederholen und der Höhepunkt des Morgens, die Hauptverkehrsader des Orts stand noch bevor.

Dreimal tief durchatmen und herantreten an der Straßenrand. Wie eine sich bald öffnende Käfigtier zum Wildtiergehege breitet sich der Zebrastreifen vor meinen Augen aus. Gleich würden sie ihre Tarnung aufgeben um mit voller Wucht herangerauscht zu kommen. Einige laut röhrend, andere kaum wahrnehmbar. Vorausschauendes Warten war angebracht. 

Nun sollte etwas passieren, dass den Tag grundlegend verändern würde. Nach endlosem Reifengequietsche und Lärm aufheulender Motoren, rollt  endlich ein Fahrzeug heran und kommt auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen. Der Warnblinker eingeschaltet, als Signal an die weiteren Verkehrsteilnehmer. Durch die im Sonnenlicht glitzernde Windschutzscheibe lässt sich eine winkende Handbewegung erkennen, die freundlich zum überqueren des Zebrastreifens einlädt und direkt darüber ein durch unwiderstehliches Lächeln hervorgebrachtes „Guten Morgen“. 

Ein Schalter wurde umgelegt. Der stehengelassene Kaffee, der Lärm, gestresste Kraftfahrzeugführer, alles wie auf einen Schlag vergessen. 

Energie macht sich in meinem Körper breit. Den Rest des Weges schwebe ich fast, erkenne und genieße endlich das herrliche Sonnenlicht, wie es alles in traumhaft warme Farbtöne zu tunken scheint. Bäume und Pflanzen scheinen frisch, gut erholt und bereit für einen weiteren Tag mit heißen, sonnigen Herausforderungen. Genauso fühle ich mich auch.

Ich merke wie sich auch auf meinem Gesicht ein breites Lächeln ausbreitet, Macht über den Körper übernimmt.

Plötzlich gut gelaunt fange ich ebenfalls an mir entgegenkommende Menschen freundlich zu grüßen. An normalen Tagen eine Selbstverständlichkeit, an Tagen wie heute eher nicht so sehr.

Aber jetzt, ja jetzt, möchte ich dieses Positive weitergeben. Nicht jeder scheint damit einverstanden, aber das ist tatsächlich nebensächlich. 

Wenn es mir gelingen würde auch nur einer einzigen weiteren Person in gleicher Weise einen besseren Tag zu verschaffen, würde die Sonne noch kräftiger strahlen, die Pflanzen und Bäume in noch saftigeren Farben schillern.

Es könnte so einfach sein. Ein einfaches Lächeln kann tatsächlich so vieles bewirken, ein netter Gruß am Morgen Alltagssorgen vergessen machen, zu mindest für einen Augenblick.