Die Seifenblase

 

Der Wind peitscht im Gesicht, glättet meine Haut wie es die beste Faltencreme nicht hinbekommen würde, die Wellen tosen, wie ein Donnerhall kracht hinter mir ein Wasserberg zusammen, das Weißwasser umklammert mich, und lässt mich wieder frei. Mit rasanter Geschwindigkeit donnert mein blaues Board unter den Füßen ins flüssige Tal, meine Füße krallen sich in die Fußschlaufen, die Waden scheinen zu zerbersten, während die Arme und Hände immer leichteres Spiel haben, der Segeldruck schwindet und spielerisch leicht steht mein Lilafarbenes Segel vor mir. Mal mehr und mal weniger energisch verlagere ich mein Körpergewicht auf die Kanten meines Boards um nicht immer symmetrische S Kurven auf die Wellen zu zeichnen, Spray zu verteilen und nicht selten antwortet die Welle mit einer guten Portion Weißwasser in meinem Gesicht, bis die Augen brennen. Ist das Karma? 

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Ritt vorbei und ich befinde mich in ruhigerem Gewässer.

Gemütlich cruise ich Richtung Bucht, kurze Zeit zum Verschnaufen und den einzigartigen Ausblick in mich aufzusaugen. Jedes einzelne Detail. Der Küstenverlauf, zur Einen gespickt mit unzähligen kleinen Läden, Bars, Restaurants, zur Anderen: Sonnenschirm Armeen am Strand, aber auch Palmen soweit das Auge reicht, kleine sandige Buchten, Lava Felsen. Die mächtigen Vulkane im Hinterland scheinen über die Szenerie zu wachen. Strahlende Menschen kommen mir entgegen, auf ihren Boards, gleitend gen Riff, gen Abenteuerspielplatz. Bekannte Gesichter, sie scheinen vor Freude zu schreien. Innerlich. Es wird viel zu erzählen geben, später am Strand, bei einem Cafe am Windsurfcenter. Ich wende, um mich erneut ins Getöse zu stürzen. Mein Kopf senkt sich und mein Blick schweift Richtung Wasser. Nicht weil es etwa meiner Fahrtechnik helfen würde, im Gegenteil. Es sind diese Farbschattierungen des Wassers, Reflexionen, die magisch wirken. Vom Dunkelblau des Atlantiks geht der Farbverlauf immer und immer wieder in faszinierendes, fast grelles, Türkis über. So farbenfroh und doch so klar und transparent. Bis in die Tiefe kann man schauen, jeder einzelne Stein scheint mir entgegenzublicken, die Fische scheinen sich am schlagenden Geräusch meines Boards nicht zu stören. Wie ein Gedankenmagnet hält die Tiefe des Meeres meine Blicke. Meine Gedanken verschwimmen und wandern. 

Ein knackendes Geräusch, besser gesagt, eine Vielzahl knackender Geräusche, knarzen. Ich sehe Kiesel fliegen, Staub.

Ich befinde mich auf meinem Mountainbike, sehe die Räder im Rhythmus drehen, meine Füße, dann die Beine, sie kurbeln die Maschinerie an, den Berg hinauf, ächtzend.  Von den Knien schweben Schweißtropfen in Richtung des rötlich braunen Lavastaubs, welcher das Geröll teilweise bedeckt, um auf dem Boden leise in Schweißperlen zu zerspringen.

Der Kopf geht hoch, der Blick in die Ferne und ich sehe die Sonne über den Bergen aufgehen. Ihre Strahlen reflektieren auf dem Morgennebel, welcher sich in den Tälern breit gemacht hat und der ganzen Szenerie etwas mystisches verleiht, würde er nicht die frühmorgendliche Lichtbestrahlung in Regenbogenfarben auf die umliegenden Vulkane reflektieren. Passend dazu betten sich die als kleine weiße Flecken erkennbaren, umliegenden kleinen Dörfer und Fincas  auf den Hängen der Vulkane in jene pittoreske Momentaufnahme ein.

Im Norden hängen die allmorgendlichen, tiefgrauen, Cumulus Wolken über den Bergen und sorgen für eine fast schon perfekte Temperatur.

Am Scheitelpunkt des Anstiegs kurz innehalten. Durchschnaufen. Blick voraus und mit ein paar kräftigen und hoffentlich auch rhytmischen Tritten ins Pedal das Bike Richtung Abfahrt beschleunigen, Griff lockern, Ellenbogen federnd, voll konzentriert. Der Fahrtwind wird deutlich kühler, immer kühler, mein Fahrradhemd flattert, das Antibeschlagspray auf meiner Brille erledigt seinen Job. Purer Genuß, pure Freude, der Anstieg hat sich wieder einmal gelohnt. Mit Geschwindigkeit bewegt sich mein Vorderrad über den kleinen Felsvorsprung und hebt ab, es wird ruhig. Erneut scheint mein Blick etwas zu verschwimmen. Meine Augenlider fallen zu und als ich sie wieder aufschlage befinde ich mich immer noch auf meinem blauen Windsurfboard, der Blick noch tief zum Meeresgrund gerichtet. Der leicht kühle Wind im Segel beschleunigt mich schon längst wieder auf die flüssigen Rampen zu, sorgt für leichte Tränenbildung. Einen Sehtest würde ich in diesem Augenblick nicht machen wollen. Ich merke wie ich samt meinem Board und Segel in die Lüfte katapultiert werde. Knie anziehen, Ellenbogen ran, Blick zum Horizont und einfach schweben. Rechtzeitig zur Landung den Körper wieder etwas öffnen, um wie eine Feder die Landung aufnehmen zu können. Das ist kein Neuland, tausendfach trainiert und ausgeführt. Und dann doch ein Ohrenbetäubender Lärm, ein mächtiger Schlag folgt dem Anderen. Wieder wird es Dunkel und als ich meine Augen endlich aufschlage, zerplatzt meine Seifenblase.

Ich schiebe die Bettdecke zur Seite, wälze mich aus meinem Schlafreich und schließe das Fenster, durch welches das grelle Tageslicht die Innenwände erhitzt.. Das andauernde Hämmern der hydraulischen Schlagbohrer auf der benachbarten Großbaustelle ist zwar immer noch hörbar, aber nicht mehr ganz so nervend. Wären sie doch auch nur ein Tagtraum.

Bleibt sich weiter an die guten, positiven Zeiten zu klammern, um so positiv wie möglich aus dieser aktuellen Situation herauszukommen.