Die Welle

Die Covid 19 Welle

Stille, absolute Stille. Ich bilde mir ein den Fluss der Meeresströmung  getrichtert auf meine Ohrmuschel bis ans Trommelfell zu spüren, die Wassertropfen der umliegenden und stillgelegten Hotels zu hören, welche sich langsam, gemächlich den Weg aus den noch kürzlich genutzten Rohren bahnen, um elegant auf den edlen Keramik Schalen jener Waschbecken, welche darauf hoffen bald wieder mit Wasser geflutet zu werden, die alltäglichen Multifaser Massagen zu geniessen um sich im Anschluß strahlend und funkelnd immer neuen Menschen und deren Händen zu präsentieren, zu explodieren.

Vielleicht ist aber auch einfach meine Membran durch den ein oder anderen Sturz,die ein oder andere Welle zuviel in Mitleidenschaft gezogen worden.

Und doch ist sie irgendwie beängstigend, diese absolute Ruhe, die Appartment Anlage, direkt am Meer gelegen, das Cyan farbene Wasser des Pools spiegelt sich im Wohnzimmerfenster, die Schiebetüren der Terrasse scheinen in Regenbogenfarben zu glitzern.

Die Sonne strahlt, meistens, der Wind lässt die Palmen rythmisch tanzen, im Hintergrund bewegt sich der Ozean, zur gleichen Musik, auf und ab, mal etwas mehr, mal etwas weniger. 

Appartment mit Meerblick, man ist geneigt die blickdichten Vorhänge nicht beiseite zu ziehen, nicht auf den Ozean zu schauen und daran zu denken, was sein könnte. Gleichzeitig hilft aber auch gerade dieser Blick hinaus zu schweifen, seine Gedanken wandern zu lassen, sich etwas von alldem zu lösen, was gerade um einen herum geschieht, oder eben auch nicht geschieht.

Es waren schöne Zeiten, bevor Covid 19 übernahm.

 

Sie hat uns in ihren mächtigen Klauen, kam herangerauscht wie eine jener Jahrhundertwellen, welche die gesamte Surfwelt in Aufruhr versetzt, gar selbst unter der nicht surfenden Bevölkerung ein nervöses Kribbeln verursacht. In der dunklen Tiefe des Ozeans mußten zwei oder mehr tektonische Platten Dampf ablassen, benötigten etwas mehr Bewegungsspielraum.

Sie kommt herangerauscht, über tausende Kilometer, in aller Stille, teilweise kaum wahrnehmbar und doch so unbegreiflich kraftvoll, tosend, ohne große Vorankündigung scheint sie immer weiter Fahrt aufzunehmen (Tatsächlich wird nur Energie von Molekül zu Molekül weitergegeben). Experten, Surfer, Seefahrer ahnen, nein wissen, was auf sie zukommen wird, können die Ausmaße bereits erahnen.

Mächtig, gewaltig rollt sie auf die Küste zu, um sich schnell und unbarmherzig aufzutürmen, zornig, wütend, immer höher, immer gewaltiger, atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes, harrt am höchsten Punkt kurz aus um mit voller Wucht nieder zu krachen, ohne Gnade, mit unbändiger Kraft, eine Kraft welche selber ein neues kleineres Beben auslösen könnte, ohrenbetäubender Lärm und noch ist die Gefahr längst nicht gebannt. Das Weißwasser breitet sich aus, schnell und hinterlistig. Man schnappt nach Luft, möchte Atmen, denkt man hat das Schlimmste überstanden und die Welle hätte einen verschont, und doch schafft es ausschließlich das Wasser Luft Gemisch in die Lunge. 

Das Weißwasser breitet sich aus, bedeckt alles was sich in seinem Weg befindet. Weich sieht es aus, ein Schaumbad. Und doch ist es alles andere als das. Die Wucht der Weißwasserwalze kann weiterhin zerstörerisch sein, auch weil sie extrem unterschätzt wird, so kann sie sich ausbreiten, weiter immer weiter. Wie weit wird sie es den Strand hinauf schaffen, niemand kann es genau beurteilen und urplötzlich schiebt die salzige Gicht bis hin zur Straße, flutet den Parkplatz. Sand, Treibholz, Müll, alles treibt sie vor sich her. Wo und wann genau sie stoppen wird, keiner kann es berechnen. Erst wenn alles vorbei ist, wird man schlauer sein, etwas. 

War es die Jahrhundertwelle ?

Wird noch mehr kommen, vielleicht gar noch kraftvoller, noch wütender ?

Selbst mit der gerade gewonnenen Erfahrung bleibt es schwierig vorherzusagen. Bleibt es der Erfahrung das Beste herauszufiltern, vorsichtiger wird man agieren, gerade durchgemachtes soll sich nicht wiederholen, bloß nicht unterschätzen...

Beim nächsten Mal kommt man vielleicht weniger glimpflich davon...

Tief durchatmen !